Im Gespräch: Henrik Pauly über Bauen mit Hanf und die Zukunft des Bauens
Henrik Pauly ist Bauingenieur, Gründer und Geschäftsführer von Hanfingenieur. Seit seiner Jugend beschäftigt er sich mit den Potenzialen der Hanfpflanze fürs Bauen – heute entwickelt er mit seinem Team kreislauffähige Gebäude aus Hanfkalk und anderen naturbasierten Materialien. Im Gespräch mit Melissa Acker (Studio Sustainable Matter) spricht er über seinen Weg, regulatorische Hürden und die Vision eines CO₂-speichernden Bauwesens. Das Interview entstand im Frühjahr 2025 während der Recherche zu biobasierten Baustoffen für die IBA’27 durch Biobased Creations.
Wie ist dein persönlicher Hintergrund bzw. Lebensweg – wie bist du in die Welt des nachhaltigen Bauens gekommen und was ist deine derzeitige Rolle bzw. Berufsbezeichnung?
Henrik Pauly: Für Hanf begeistere ich mich schon seit meinem elften Lebensjahr, als ich im Hanf Haus in Reutlingen lernte, wie vielzeitig diese Pflanze eingesetzt werden kann! Nach einer Ausbildung zum Stahlbetonbauer studierte ich Bauingenieurwesen und arbeitete von da an auf vielen Großbaustellen als Bauleiter – in mir wuchs jedoch schnell der Wunsch, mich wirklich nachhaltigen Bauprojekten zu widmen. Den massiven Baustoff, der aus Hanf und Kalk hergestellt wird, lernte ich zufällig im Hanf Museum in Berlin kennen. Zusätzlich fiel mir dort im Museums-Shop Steve Allin‘s Buch über das Bauen mit Hanf in die Hände.
Seitdem beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema und habe 2020 mein Unternehmen Hanfingenieur gegründet – heute leite ich als Geschäftsführer ein Team von 6 Ingenieur:innen und Architekt:innen. Mit unseren vier Standbeinen (Architektur und Ingenieurleistungen, Baustoffhandel, Wissensvermittlung und Bauausführung) wollen wir das Bauen mit Hanf auf ein höheres Niveau bringen.
Was ist das primäre Ziel deines Unternehmens und was unterscheidet es von anderen Herstellern in der Branche?
Henrik Pauly: Wir sind Wegbereiter für Klimaneutralität und Schadstofffreiheit im Bausektor, indem wir innovative, vollkommen natürliche Baustoffe der breiten Masse an Immobilieneigentümer:innen zugänglich machen. Damit schonen wir die Umwelt, erhöhen die Biodiversität auf dem Acker und senken den Energieverbrauch von Gebäuden erheblich. Unsere Häuser sind echte CO2-Speicher und während der Nutzung gesund für die Bewohner:innen. Am Ende der Lebenszeit entsteht kein Sondermüll. Damit ist unser Geschäftsmodell in Deutschland einzigartig. Unsere Vision ist es, die Baubranche zu transformieren, damit Hanf als nachwachsender Rohstoff standardmäßig in jedem Gebäude verwendet wird.
»Am Ende der Lebenszeit entsteht kein Sondermüll.«
Henrik Pauly
Wo siehst du die größten Herausforderungen, aber auch mögliche Lösungen in Bezug auf deine eigene Arbeit oder den Bereich, in dem du direkt tätig bist?
Henrik Pauly: Momentan ist das ökologische Bauen in der Gesellschaft weitgehend unbekannt. Auch diverse Vorbehalte mancher Leute gegenüber Nutzhanf erfordern stetige Erklärungsarbeit. Diesen Herausforderungen stellen wir uns, indem wir aktiver auf Kunden, Geschäftspartner:innen und Entscheidungsträger:innen in Politik und Ämtern zugehen wollen.
Eine weitere Hürde sind teilweise noch fehlende Prüfungen und Zulassungen von 100 Prozent natürlichen Baustoffen. Deshalb wollen wir uns mit anderen Stakeholdern vernetzen.
Wie beurteilst du den Einsatz biobasierter Baustoffe derzeit auf dem deutschen Markt und wie können diese deiner Meinung nach im derzeitigen Bauwesen am wirkungsvollsten integriert werden?
Henrik Pauly: Am wirkungsvollsten können biobasierte Baustoffe zum Einsatz kommen, wenn sie preiswerter als konventionelle Materialien sind.
Nachwachsende Dämmstoffe machen weniger als sieben Prozent des deutschen Marktes aus, nur fünf Prozent davon sind aus Hanf. Dies liegt u.a. an der Stigmatisierung von Hanf als Droge, fehlender Aufklärung, Preisdruck durch subventionierte fossile Baustoffe und einer unausgereiften Hanfwertschöpfungskette.
Zudem fehlen Normen und Zulassungen. Wir arbeiten mit Baustoffproduzenten und der Politik zusammen, um Lösungen zu entwickeln. Kreislaufgerechte Gebäude bieten langfristig bis zu 50 Prozent Kostenvorteile durch geringere Entsorgungskosten und niedrigere Betriebskosten.
»Nachwachsende Dämmstoffe machen weniger als sieben Prozent des deutschen Marktes aus, nur fünf Prozent davon sind aus Hanf.«
Henrik Pauly
Wo siehst du Möglichkeiten, zirkuläre Methoden wie Modularität, Rückbaubarkeit, Wiederverwendung und Recycling mit naturbasierten Produkten oder Anwendungen zu kombinieren?
Henrik Pauly: Wir sind bereits in den Bereichen Wiederverwendung, Modularität und Einsatz naturbasierter Produkte auf einem hohen Niveau. Dennoch gibt es noch einiges an Verbesserungspotenzial in allen Bereichen des zirkulären Bauens. Die kreislaufgerechte Wiederverwertung von Hanfkalk wird in den nächsten Jahrzehnten eine immer größere Rolle spielen, wenn immer mehr Gebäude aus Hanfkalk gebaut werden.
Bereits in mehreren Projekten haben wir Baustoffe aus dem Rückbau wieder im Baukörper eingesetzt, z.B. alte Holzbalken als Innenwände, ausgefacht mit Hanfkalk, oder Abbruchziegel als Innenwände neu vermauert.
Welche Strategie oder welche spezifischen Lösungen siehst du als entscheidend für eine nachhaltige Entwicklung der Region Baden-Würrtemberg oder allgemein in Deutschland an?
Henrik Pauly: Eine zentrale Maßnahme für eine nachhaltige Entwicklung besteht darin, klimaschädliche Bauprozesse nicht länger zu subventionieren. Dazu zählen insbesondere die Produktion petrochemischer Dämmstoffe und industrieller Zement. Gleichzeitig sollten Förderstrukturen für nachwachsende, klimafreundliche Rohstoffe wie Hanf geschaffen werden – auch in der Landwirtschaft. Während beispielsweise der Anbau von Mais subventioniert wird, bleibt Hanf bislang unberücksichtigt.
Darüber hinaus ist die Wissensvermittlung entscheidend: Die Möglichkeiten von Hanf als nachhaltigem Baustoff müssen stärker kommuniziert werden. Hier engagieren wir uns bereits: etwa durch Fachveranstaltungen wie das Hanfbausymposium im Herbst 2024 an der HFT Stuttgart, und gezielte Öffentlichkeitsarbeit. Mit meinem Kollegen Felix Drewes schreibe ich gerade an einem Fachbuch über das Bauen mit Hanf, das noch dieses Jahr vom ökobuch Verlag veröffentlicht wird.
Call for action: Was ist dein Wunsch, was sollten die Akteur:innen im Bauwesen heute tun, um ihre Projekte mit natürlichen und kreislauffähigen Baustoffen zu realisieren?
Henrik Pauly: Mutiger werden im Einsatz von natürlichen Baustoffen! Die Transformation hin zu ökologischem, gesunden Bauen muss in vielen kleinen Schritten vollzogen werden; man kann nicht in einem Projekt alles auf einmal umkrempeln. Wir haben am Anfang auch versucht alles 100 Prozent umzustellen, aber das funktioniert nicht. Mein Tipp: In jedem Projekt einen konventionellen Baustoff durch einen natürlichen ersetzen. Einfach machen. Dazu sollte man immer hinterfragen, was das Bauteil eigentlich erfüllen muss und ob es auch noch andere nachhaltige Lösungen gibt. Mit jedem Projekt wird dann mehr verändert – Stück für Stück. Jede große Reise fängt mit dem ersten Schritt an.
»Mein Tipp: In jedem Projekt einen konventionellen Baustoff durch einen natürlichen ersetzen. Einfach machen.«
Henrik Pauly
